Jahresbrief 2025
Liebe Freundinnen und Freunde unseres Instituts, geschätzte Damen und geehrte Herren, Kolleginnen und Kollegen in Europa und außerhalb, liebe Absolvent*innen und Kursteilnehmer*innen,
das sich nähernde Ende des Jahres 2025 lädt uns dazu ein, innezuhalten, dankbar zurückzuschauen und an Sie / an Euch zu denken, weil Sie / Ihr auch in diesem Jahr mit dem Süddeutschen Institut für Logotherapie und Existenzanalyse in unterschiedlicher und vielfältiger Art und Weise verbunden geblieben sind / seid.
Zum Institutsgeschehen
Wieder blicken wir auf ein gefülltes und erfülltes Jahr zurück. Mit zahlreichen Ausbildungs- und Selbsterfahrungswochenenden, an denen geschätzte Kolleginnen und Kollegen den Unterricht mit ihrem Können und durch ihre Persönlichkeit gestaltet und bereichert haben. In langer Tradition fanden auch in diesem Jahr zwei parallele Ausbildungskurse mit insgesamt 50 Teilnehmenden statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen persönlichen und beruflichen Bereichen mit ihrer jeweils individuellen Motivation für die Logotherapie und Existenzanalyse Viktor Frankls. Im Frühjahr des Jahres startete der Vertiefungsbaustein „Psychotherapie“, im Sommer der Kurs „Wertimaginative Logotherapie“. Das 5-tägige Gesprächsführungsseminar fand einmal im Sommer und einmal im Herbst statt.
Ca. 20 Personen machten sich auf den Weg der «Heilende Lebensbilanz», einer besonderen Form der begleiteten Biographiearbeit für Menschen, die den „goldenen Sinnfaden“ des eigenen Lebens entdecken und dem Bewusstsein empfindbar machen wollen. Ebenso konnten wir vielen Rat- und Unterstützung-Suchenden Menschen Hilfe durch logotherapeutische Begleitung bieten.
Wir erinnern uns an erfüllte Tage, in denen Kleingruppen zur Supervision oder Biografiearbeit zusammengekommen sind. Ebenso freuten wir uns über Besuche und Begegnungen im Institut von und mit „Ehemaligen Absolventen“ unserer Ausbildungskurse, mit denen wir teilweise über viele Jahre verbunden sind.
Wir sind dankbar für alles Stattgefundene. Möge es sinnvolle Spuren hinterlassen, die vielen Menschen zugutekommen.
Logotherapie im Angesicht der Zeit
Wir kommen nicht umhin, bei unserem Jahresrückblick auch feststellen zu müssen, dass diese unsere gemeinsame eine Welt sich weiterhin in einem Zustand der Verunsicherung befindet. Unsere globale Gegenwart wird durch Kriege, Klimakrise, politische Polarisierung, den Verlust von existentieller Orientierung auf tiefe und schmerzliche Weise geprägt.
Während Wissenschaftler seit einigen Jahren den Begriff „Anthropozän“ verwenden, um die menschengemachte Umweltzerstörung zu beschreiben, hat Thomas L. Friedman, der bekannte Kolumnist der New York Times, im November 2025 den Begriff „Polycene“ (Polyzän) geprägt, um unsere gegenwärtige Zeit zu charakterisieren. Sie ist eine Epoche multipler, miteinander verflochtener Krisen, in der sich fast nichts mehr isoliert betrachten lässt, alles mit allem zusammenhängt, und die traditionellen Ordnungsmuster in der Welt sich aufzulösen scheinen. Dieser Ansatz, der durchaus kritisierbarer ist, kann als ein Versuch verstanden werden, unsere gegenwärtige Situation nachvollziehbar zu beschreiben.
Viktor E. Frankl beschrieb allerdings bereits in den Jahren unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg das Phänomen des existentiellen Vakuums, das sich als ein Gefühl der inneren Leere, der Orientierungslosigkeit und der Sinnlosigkeit wie eine Massenneurose durch die Gesellschaft zieht. Das, was Friedman heute als „Polyzän“ beschreibt, also die multiplen und vernetzten Krisen, haben aus logotherapeutischer Sicht eine tieferliegende Wurzel, und zwar die existentielle Frustration des Menschen unserer Zeit.
Friedman argumentiert, dass die Komplexität der Gegenwart „planetare Lösungen“ erfordert, die über nationale oder regionale Ansätze hinausgehen, und weist auf eine nötige Synthese scheinbar gegensätzlicher Ansätze hin. In der Sicht der ganzheitlichen Anthropologie Viktor E. Frankls sollten wir gleichwohl weniger die Schnellsuche nach „planetaren Lösungen“ in den Fokus stellen, sondern vielmehr die noodynamische Spannung zwischen der „planetaren Wahrnehmung“ und der „planetaren Verantwortung“ auf allen Ebenen unserer Gegenwart konsequent aufrechterhalten.
Die Bedeutung der Sinnfrage
Statt Menschen mit noch mehr Information, noch mehr Konsum oder noch mehr Technologie zu überhäufen, braucht es auch angesichts von globalen Krisen eine Rückbesinnung auf die Sinnfrage: Wozu lebe ich? Wofür tragen ich Verantwortung? Die Komplexität der Krisen kann weniger durch noch komplexere Systeme gelöst werden, sondern durch Menschen, die über die eigenen Bedürfnisse hinaus einen Sinn in ihrem Handeln erkennen und ihn auch verwirklichen wollen.
Dementsprechend ist die Komplexität und Unübersichtlichkeit unserer Zeit nicht per se destruktiv. Auch sie kann als Sinnanruf verstanden werden, als Herausforderung, die unsere besten Kräfte mobilisieren kann. Die Krisen fordern uns heraus, Position zu beziehen, Verantwortung zu übernehmen und Sinn zu verwirklichen. Statt in narzisstischer Selbstoptimierung oder konsumistischer Selbstverwirklichung zu verharren, braucht es heute, vielleicht dringender als je, Menschen, die über sich hinauswachsen, indem sie sich für das Größere einsetzen. Der sinnorientierte Blick auf die Welt verleitet uns zur Feststellung, dass die Polykrisen unserer Gegenwart nicht durch technokratische Lösungen allein bewältigt werden können, sondern nach einmaligen und einzigartigen Persönlichkeiten verlangen, die ihr Leben auf ein größeres Ganzes ausrichten: auf zukünftige Generationen, auf die Schöpfung, auf planetare Verantwortung. Auch in dieser Hinsicht gilt Viktor E. Frankl für uns heute als leuchtendes Vorbild, sein Lebenswerk als unerschöpfliche Quelle der Inspiration.
Gedenken des 80. Jahrestags der Befreiung Viktor Frankls
Das Jahr 2025 markierte einen bedeutsamen Jahrestag: Vor 80 Jahren, Ende April 1945, wurde Viktor E. Frankl aus dem Konzentrationslager Türkheim befreit. Dieses Ereignis wollten wir mit einer großen Gedenkveranstaltung und Fachtagung unter dem Titel „Heute Verantwortung übernehmen – wofür?“ würdigen.
Leider mussten wir die groß angelegte Fachtagung aufgrund zu geringer Anmeldezahlen absagen; eine schmerzliche Entscheidung nach intensiver und liebevoller Vorbereitung. Dennoch fand am 9. Mai eine würdige Gedenkzeremonie an der KZ-Gedenkstätte in Türkheim statt, an der Freunde und Wegbegleiter des Süddeutschen Instituts teilnahmen.
Dr. János Vik hielt die Festrede, Nadja Palombo las aus Frankls Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“, und Dr. Herbert Specht sprach das Kaddisch-Gebet. Es waren bewegende Momente des Gedenkens, der Dankbarkeit und der Verpflichtung, das Erbe Viktor E. Frankls lebendig zu halten. Der Tag fand seinen Ausklang bei einem gemeinsamen Abendessen in Bad Wörishofen und einem bewegenden Konzert von Andi Weiss in der Evangelisch-Lutherischen Erlöserkirche.
So blieb am Ende trotz der Absage der großen Fachtagung ein tiefes Gefühl der Verbundenheit in der Gemeinschaft so vieler Menschen, die den „tragischen Optimismus“ Frankls leben wollen, und die Gewissheit, dass man immer etwas gestalten kann, auch und gerade dann, wenn nicht alles wie geplant verläuft. Diese Erfahrung ist für uns eine logotherapeutische Lektion gewesen: Nicht alles liegt in unserer Hand, aber wie wir mit dem Unverfügbaren umgehen, das können wir verantworten.
Ein nicht ganz neues Gesicht:
Schon seit Jahren nebenberuflich für das Institut tätig und seit September 2025 fest angestellt, stellt sich unsere Kollegin Sonja Ruhdorfer bei Ihnen vor: „Nun bin ich Teil des Süddeutschen Instituts für Logotherapie. Nach fast 30 Jahren in der Finanzbranche ist das ein großer Umbruch und zugleich ein sehr stimmiger Schritt. Ich habe mir die Sinnfrage früh gestellt und dennoch lange pragmatische Entscheidungen getroffen, um Sicherheit zu schaffen. Weil ich als alleinerziehende Mutter viel Verantwortung getragen habe. Heute weiß ich: Auch Umwege gehören zum Leben. Sie formen uns und sie fließen in das ein, was wir weitergeben. Mit 52 Jahren mein Berufsleben neu auszurichten, empfinde ich als großes Geschenk. Die Freiheit, die Möglichkeit, das Institut mitzugestalten, und vor allem die Begegnungen mit Kolleg*innen, aus denen echte, tiefe Gespräche entstehen, erfüllen mich mit Dankbarkeit. Ich bin angekommen und freue mich auf den weiteren Weg mit Ihnen und euch. Und vielleicht ist dieser kleine Gruß auch eine leise Einladung an Dich oder Sie: Dem eigenen Wunsch Raum zu geben und im neuen Jahr einen ersten, ganz eigenen Schritt zu wagen.“
40 Jahre Süddeutsches Institut für Logotherapie & Existenzanalyse
Im kommenden Jahr gibt es für uns einen besonderen Anlass: Das Süddeutsche Institut feiert sein 40-jähriges Bestehen. Damals im Jahr 1986 wurde es von Elisabeth Lukas und ihrem Mann Gerhard Lukas gegründet. Otto Zsók kam ebenfalls im Jahr 1986 ans Institut und trat im Jahr 2003 die Nachfolge an. Gemeinsam mit Nadja Palombo leitete er das Institut bis zu seinem Tod im Jahr 2022. Im Frühjahr 2023 kam János Vik als Fachlicher Leiter ans Institut.
Dieses Jubiläum möchten wir über das Jahr hinweg mit Ihnen und euch feiern. In Form von mehreren kleinen Vorträgen, Seminaren und Begegnungsformaten, hier im Institut und online per Zoom. So entsteht Raum für unterschiedliche Themen, Zugänge und Interessen und hoffentlich ist für jede und jeden etwas dabei.
Die großen Jubiläumskongresse bleiben Teil unserer Institutstradition und werden auch in den kommenden Jahren wieder ihren Platz haben. 2026 laden wir stattdessen dazu ein, sich immer wieder punktuell zu begegnen, Impulse mitzunehmen, ins Gespräch zu kommen und miteinander Sinn zu teilen. Aktuelle Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie auf unserer Homepage und in unseren kommenden Newslettern. Wir freuen uns auf viele persönliche und digitale Begegnungen.
Geehrte Dame und geehrter Herr, geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus allen europäischen und nicht-europäischen Logotherapie-Instituten, gegen Ende eines ereignisreichen Jahres wünschen wir Ihnen und Euch allen aus dem Herzen friedliche Weihnachtstage und die Kraft der Hoffnung im neuen Jahr 2026.
Mit herzlichen Grüßen und Segens-Wünschen
Nadja Palombo, János Vik
und das gesamte Team des Süddeutschen Instituts
Bücher zu unseren Seminaren & Neuveröffentlichungen
Sie wollen die verbleibenden Tage für sinn- und wertvolle Lektüre nutzen? Hier finden Sie unsere Empfehlungen.
Seminare & Workshops im neuen Jahr
Auch 2026 finden bei uns im Institut (vor Ort oder online via Zoom) oder gelegentlich auch extern einige Veranstaltungen statt. Alle Termine finden Sie in unserem Kalender.
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