Überspringen zu Hauptinhalt

„Verheißung“

April 2022: Am 42sten Tag des Angriffskrieges gegen die Ukraine am 07. April 2022. Weinend weinen die Überlebenden in Butscha, beklagend ihre Toten: Zivilisten, Kinder, Frauen, alte Menschen wurden von russischen Soldaten brutal ermordet. Noch ist die Zeit der Erlösung durch die Liebe und die Erfüllung in der Liebe in Europa nicht angebrochen, „noch haben die Drachen der Finsternis doppelte Macht … Sie bäumen sich auf in ihrer Herrschaft – alle Schemen des Grauens weckt ihr Brüllen… Aus seinen Gräbern und Gruben scharren sie den Unrat: – die Luft verpesten sie mit giftigen Dünsten … Angst und Schrecken verbreiten sie über den Erdkreis: – mit dröhnenden Tritten treten sie nieder alle Hoffnung … Aber die Tage ihrer Macht sind wahrlich gezählt: – an ihrem eigenen Gräuel gehen sie zugrunde! Noch aber sind sie nicht erstickt an ihrem Fraße: – noch gieren ihre triefenden Lefzen nach neuem dampfenden Blute… Ihr Schnauben bläht noch ihre Nüstern: – man wird noch ihr Gebrüll vernehmen in der argen Finsternis…“.

Vor etwa einhundert Jahren (1924) ist dieser Text veröffentlicht worden (Bô Yin Râ, Psalmen und darin das Kapitel „Verheißung“). Er bietet Fixpunkte, die nur in der Seele zu erspüren sind. Der nach dem Licht Strebende blättert auch in den Psalmen der Bibel und betet: „Aus der Tiefe Rufe ich zu Dir, o Herr.“ Oder: „Weinend gehen sie dahin,/ sie gehen und streuen den Samen./ Doch kommen sie wieder mit Jauchzen, / sie kommen und bringen ein ihre Garben“. (Mit diesem Psalm 126, 6, dessen Thema „Leid – Opfer – Errettung aus der Bedrängnis“ ist, hat Viktor Frankl seine Bedrängnis im KZ zusammengefasst). Oder: „Rette mich, oh Gott, vor dem bösen Menschen, /und schütze mich vor dem Mann der Gewalt“ (Psalm 140). Oder man blättert auch in den Psalmen von Bô Yin Râ, suchend nach festen Fundamenten der Hoffnung in diesen Tagen und Monaten der dunklen Nacht der Sinnen und des Verstandes, um den Drachen der Finsternis, die noch doppelte Macht haben, eine Geisteskraft entgegenzusetzen. Der nach mehr Licht strebende Schüler des Geistes will das grauenvolle Brüllen der Drachen der Finsternis – das Ausmaß der Gräueltaten von Butscha, Mariupol usw. – aushalten. Dies gelingt ihm nicht ohne tiefe Erschütterung. Alle Menschen guten Willens schämen sich für die Propagandisten des Kreml-Apparats, die da behaupten, es seien nur Schauspieler gewesen, die man auf den Bildern „als Leiche“ gesehen habe. Bekannt, nur allzu bekannt ist dieses Lügen-Muster des Erdenmenschentieres. Allzu bekannt ist es aus der Propaganda der NS-Zeit die perfide Art und Weise, wie die Massen in die Irre geführt werden.

 In der Zeit der kommunistischen Diktatur kursierte 1973 ein Witz in Rumänien, der so geht: Breschnew, Honecker und Ceauşescu sterben gleichzeitig und landen im Jenseits vor einer Bifurkation: nach rechts geht es zum Himmel, nach links geht es zur Hölle. Sie probieren es nach rechts und sehen durch die Himmelspforte, wie „Gott-Vater“, auf einem Thron sitzend, von den feierlich, langsam singenden Engeln angebetet wird. Das ist sehr langweilig, sagt Breschnew. Ja, sagt Honecker, das ist nicht unsere Welt. Worauf Ceauşescu sagt: Also gehen wir zur Hölle, vielleicht ist die Lage dort besser. – Tatsächlich sehen sie durch die Pforte der Hölle, wie da drinnen lustige Musik, Tanz, Weib, Wein und Gesang vorherrschen. Sie fühlen sich davon angezogen und so gehen sie in die Hölle hinein. Sofort werden sie vom Teufel geschnappt und in einen extrem heißen brennenden Ofen gesteckt. Nach eintausend Jahren gibt es zwei Minuten Zigarettenpause. Empört protestieren sie beim Teufel: „Von draußen haben wir etwas ganz anderes gesehen und haben nicht mit diesen fürchterlichen Qualen gerechnet.“ Der Teufel aber erwidert: „Ja, ja, meine Herren, was ihr von draußen gesehen habt, war nur die Propaganda.“  Wie gesagt, diesen Witz haben sich die Leute in Rumänien 1973, während der kommunistischen Diktatur, erzählt. Neben dem darin zu spürenden Galgenhumor behält dieser Witz seine Aktualität auch aus einer anderen Sicht.

Die Kreml-Propaganda arbeitet genauso: Spezialoperation, Entnazifizierung, Friedenssicherung langfristig, Demilitarisierung usw. sind die Worthülsen, die das teuflische Grauen kaschieren sollen. Und wer auch immer in dieser oder in einer anderen Propagandamaschinerie mitmacht, Trugwelten und Scheinrealitäten generierend, die allerdings schrecklich viel Leid verursachen, dem ist „dann und wann“ der Weg der Ernüchterung in der Hölle gesichert. Die Hölle ist kein „Ort“, sondern der Bewusstseinszustand desjenigen Erdenmenschentieres, das sich geweigert hat, den Geistesmenschen in sich selbst wirken zu lassen und nach mehr geistigem Licht zu streben, um daraus zu leben. »Du hast es so eingerichtet, daß jeder ungeordnete Geist sich selbst zur Strafe wird« (Augustinus). Und wenn Kirill, der Moskauer Patriarch, dem Krieg eine religiöse Legitimation zu geben versucht, zeigt er nur, wie weit er sich von der auch in seinem Geist eingerichteten Ordnung entfernt hat. Um so mehr ist mit Viktor Frankl zu betonen: Nicht eine Nation als Ganzes ist böse geworden, nein, sondern in vielen einzelnen Menschen – im Osten wie im Westen – triumphierte der Wille zur Macht über den Willen zum Sinn. Es sind noch immer zu wenige Menschen da, die diejenige Geistes-Macht erkannten, die nur die Liebe gibt. Es sind in allen Zeiten die „Sklaven der Tierheit“, die den ewigen Gott zum Makler ihres dummen Hasses machen wollen und den Ewig-Einen-Gott, der Licht und Liebe ist, herabziehen wollen auf ihr erdenmenschentierisches Niveau. Das hat Donald Trump gemacht, als er, vor etwa drei Jahren, sich mit der Bibel in der Hand hat fotografieren lassen; das haben im Mittelalter die Kreuzzügler gemacht, als sie Jerusalem zurückerobern wollten. Und in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts wiederholt sich in Europa dieses heillose Muster, mit dessen Hilfe manche „geistliche Autoritäten“, vermeidend den Aggressor beim Namen zu nennen, dem Angriffskrieg gegen ein Bruderland, „metaphysische Legitimation“ geben wollen. Das Wort „heilig“ mit Blick auf ein Land in den Mund zu nehmen, ist in Wahrheit die gänzliche Verfehlung des Sinns dieses Wortes. Nur der Ewig-Eine-Gott ist heilig, alles andere und alle anderen sind nicht heilig. Aber in seiner tiefen Umnachtung pocht das Erdenmenschentier auf seine „Menschenwürde“ und zugleich wütet es schlimmer als jedes andere wilde Tier.

Ewiges Licht möge uns alle erleuchten – doch bis zu diesem erleuchteten Zeitpunkt der Erfüllung, der noch auf sich warten lässt, werden und müssen wir alle, jeder auf seine Weise, einen sehr hohen „Preis“ zahlen.

Die verwerfliche Torheit, der „nationalen Ehre“ sich durch Mord Recht zu schaffen, ist Unwert und muss, früher oder später, der Auflösung anheimfallen. Vielleicht ist diese Geisteseinsicht, die wir – in Europa und außerhalb – so tief verinnerlichen, erfühlen und empfinden lernen müssen, dass niemand mehr den Gedanken denken kann, ein Krieg wäre die Lösung bestimmter Konflikte, die in dieser irdischen Welt nie gänzlich zu vermeiden sind und nie gänzlich zu vermeiden sein werden.

Wenn dann und wann die Gier der tödlichen Leidenschaft des Willens zur Macht und der Großmannssucht verschwunden sein wird, dann erst werden wir Erdenmenschentiere dem mit dem Licht verbundenen Geistesmenschen in unserem Innersten gewahr. Sehnen wir diese neue hellere Epoche mit allen Kräften herbei! (O. Zsok)

An den Anfang scrollen