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Zum Beginn des Sommersemester 2023 (von János Vik I April 2023)

Der Themenschwerpunkt des neuen Ausbildungssemesters – „Vom Wesen des Menschen – Logotherapie als Persönlichkeitstheorie“ – führt sowohl die Teilnehmer*innen als auch den Dozenten zum Herzstück der sinnzentrierten Psychotherapie, d. h. zu dem holistischen Menschenbild von Viktor E. Frankl. Während des ersten Ausbildungswochenendes haben wir uns gemeinsam der Aufgabe gestellt, einige Grundbegriffe der Anthropologie Frankls in den Blick zu nehmen und sie zu durchleuchten.

Zum Beispiel liefert Frankl durch das Postulieren der noetischen Dimension seine Antwort auf die Frage, wie das „Mehr-sein-als-der-Körper“ bezüglich des Menschen gemeint ist. Dieses Mehr ist nicht quantitativ, sondern qualitativ, d. h. seinsmäßig zu verstehen. Der Mensch als Ganzes, als Homo humanus, geht in den ihm eigenen physiologischen und neurobiologischen Prozessen nicht auf.

Tatsächlich will es einem Menschen nicht einleuchten, dass mit dem Tod eines Geliebten alles aus sein soll, denn dies widerspricht dem natürlichen Empfinden des Menschen. Allerdings ist Frankl zurückhaltend, wenn es um die berechtigte Frage geht, wo das Du nach dem Tod des Körpers hin ist. Er kann im Kapitel Das Problem der Sterblichkeit seines Werkes Der leidende Mensch „von der Existenz der geistigen Person jenseits deren Ko-existenz mit dem Psychophysikum nur eines aussagen: Sterblich ist sie nicht.“ Damit bleibt Frankl der Selbstverpflichtung der Logotherapie und Existenzanalyse treu, sich bezüglich der Frage nach dem Werden und dem Abtreten der geistigen Person im Rahmen der philosophischen Anthropologie zu bewegen, also diesseits eines wie auch immer verstandenen Offenbarungsglaubens.

Die geistige Person eines geliebten Menschen ist uns nicht anders bekannt als in Koexistenz mit seinem Psychophysikum. In diesem Sinne könnten die Worte Frankls – vor allem jetzt, kurz vor Ostern – recht ernüchternd klingen, wenn er schreibt: „Jede Aussage über geistige Existenz jenseits dieser Ko-existenz, jenseits von Leib, Raum und Zeit, entbehrt des Sinnes. (…) Was darüber hinaus ist, was jenseits von Leib, Raum und Zeit ist, was sich im Bereich des reinen Seins abspielt, – darum zu wissen ist unmöglich.“ Das Fortleben der geistigen Person lässt sich also nicht vorstellen, und dennoch ist es möglich. Frankl meint sogar, „es ist nicht nur möglich, sondern auch notwendig; denn das Gegenteil davon wäre ja keinesfalls möglich; dass nämlich dasjenige, was wesentlich jenseits von Raum und Zeit ist, jemals sterben können sollte.“

Anlässlich des Osterfests möge uns diese unaufgeregte Zuversicht Viktor E. Frankls Licht im Dunkel der Zeit und die mutige Hoffnung eines unbedingt möglichen neuen Anfangs schenken.

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