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Jetzt erst recht! Die wunderbare Trotzmacht des Geistes (von Sonja Ruhdorfer I Februar 2024)

Haben Sie in letzter Zeit auch manchmal das Gefühl, dass die Zeiten schlechter werden und wir nichts dagegen tun können? Gefühlt breiten sich Resignation, Egoismus und Herzenskälte aus und manchmal ist es eine große Herausforderung, damit umzugehen. Wenn mich dann gelegentlich der Weltschmerz packt, gibt es auch eine andere Stimme in mir, die sagt: „Auf gar keinen Fall gebe ich mich geschlagen – jetzt erst recht!“ Manchmal ist sie leise und manchmal ganz laut und voller Kraft und dann weiß ich, gerade jetzt ist die richtige Zeit, um
• etwas zu wagen
• etwas Neues zu lernen
• etwas zu tun, was ich immer schon mal tun wollte
• Jemandem zu sagen, wie lieb ich sie/ihn habe
• nett zu den Lebewesen zu sein, die mir begegnen
• Freude zu empfinden und auszustrahlen
• das Leben zu feiern
• und und und

Denn worauf wollen wir warten? Auf schlimmere Zeiten? Das wäre doch absurd! Und gerade, wenn Sie befürchten, es könne alles noch schlechter werden, bedeutet das auch: Jetzt ist die beste Zeit, die wir haben können.

Ich will damit nicht sagen, dass wir die Augen vor den Problemen in der Welt verschließen oder gar aktiv wegsehen sollen. Und ich weiß auch, wie mies sich das alles oft anfühlt. Und genau dann weigere ich mich, aufzugeben.

Viktor E. Frankl, der Wiener Psychiater und Begründer der Logotherapie & Existenzanalyse hatte dafür einen wunderbaren Begriff, die Trotzmacht des Geistes. Das bedeutet, jeden Tag aufs Neue trotz Allem zu leben, auch wenn mir gerade nichts geschenkt wird und ich dem Leben das Gute und Schöne abringen muss. Und dass ich trotz aller Faktoren, die mich vielleicht einschränken, das Beste aus meinem Leben machen kann. Das ist keinesfalls leicht, aber für mich lohnt es sich sehr und vielleicht können Sie mir folgendes glauben: Am Ende der Anstrengung und des Ringens wartet ein großer Gewinn: Ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und das Wissen, dass Sie selbst Ihr Leben im Griff haben.  Dass Sie sich, wenn nötig, selbst retten und gelegentlich über sich selbst hinauswachsen können; im kleinen oder großen Maß – darauf kommt es nicht an.

Aber wo findet man diese Trotzmacht, wenn man sich gerade niedergeschlagen, wütend oder hilflos fühlt?

Zuerst: Auch diese Gefühle haben ihre Berechtigung und müssen nicht auf Teufel komm raus „weggemacht“ werden. Es geht vielmehr um einen sinnvollen Umgang damit und die Fragen, was ein Gefühl uns sagen will, ob es real ist oder z.B. einer Erwartungsangst entspringt und wie wir wieder in unsere Kraft kommen, wenn wir außer uns sind. Ich wünsche Ihnen, dass Sie gute Freunde und Verbündete haben, denen Sie sich anvertrauen können. Denn es hilft sehr, wenn wir mit negativen Gefühlen nicht allein sind. Gerade wenn wir über globale Krisen sprechen, die uns Angst machen, sitzen wir Menschen alle im selben Boot. Und wenn wir miteinander sprechen, finden wir oft heraus, dass andere einen unterschiedlichen Blick auf Geschehnisse haben.
Ein Perspektivwechsel kann sehr hilfreich sein. Stellen Sie sich vor, Sie hätten gerade keine Sorgen und Probleme, wären entspannt und voller Energie – wie würden Sie dann auf die Situation reagieren? Und falls Sie sich das gerade nicht vorstellen können: Vielleicht kennen Sie einen Menschen, der die Fähigkeit hat, die Dinge leicht zu nehmen oder jemanden, dem immer etwas einfällt. Stellen Sie sich die Frage, was würde sie/er jetzt tun oder denken?

Mir hilft es auch, mich einen Moment bewusst damit auseinanderzusetzen, was die Emotion ausgelöst hat, ob der Anlass ganz konkret und real ist, oder ob ich etwas interpretiert habe oder mir Zukunfts-Szenarien ausgemalt habe. Was für Gedanken oder Handlungen hat das wiederum ausgelöst? Hat sich das Gefühl dadurch verbessert oder verschlimmert? Ich leide gelegentlich unter Katastrophen, die noch gar nicht eingetreten sind, oder die niemals eintreten werden. Mittlerweile kann ich das gut erkennen und dann darüber lachen, was ich mir Kreatives habe einfallen lassen (schreckliches Horrorszenario Nr. 125). Oder wie Frankl sagte: „Ich muss mir nicht alles gefallen lassen, nicht einmal von mir selbst“. Das soll nicht heißen, dass Sie sich ständig hinterfragen müssen; das wäre super anstrengend und es ist auch mal o.k., schlecht drauf zu sein, aber die Möglichkeit, dass Sie sich mit etwas Übung aus Gedanken- und Gefühls-Spiralen selbst befreien können, fühlt sich doch gut an, oder?

Und dann stellen Sie sich die Frage, was Sie vom Leben zu erwarten haben, doch mal andersherum: Was haben Sie dem Leben zu geben? Was ist Ihre Antwort auf die Fragen des Lebens? Wie können Sie Ihre Talente dafür einsetzen?

Wenn wir durch Krisen im „Außen“ alarmiert sind, lenken wir dieses Adrenalin, das unser Körper ohnehin produziert, doch in etwas Gestalterisches um! Was können Sie mit Ihren Fähigkeiten und Ihrer Einzigartigkeit zu einem gelingenden Leben beitragen? Ich glaube, da gibt es eine ganze Menge und das müssen keine weltbewegenden Errungenschaften sein. Viele heldenhafte Momente in einem Menschenleben finden ganz im Stillen statt, ohne dass sie jemand mitbekommt. Wenn es Ihnen gerade sehr schlecht geht, besteht die Heldentat vielleicht einfach darin, morgens trotzdem aufzustehen, sich ordentlich zu kleiden und Ihre Arbeit zu erledigen.

Wenn Sie sich Ihrer Fähigkeiten besser bewusst werden wollen, empfehle ich folgende Übung regelmäßig vor dem Schlafengehen – sie dauert nur wenige Minuten.

Atmen Sie ein paar Mal bewusst und tief durch die Nase ein, halten den Atem ein wenig und atmen tief und vollständig durch den Mund aus. Das wird Ihr Nervensystem etwas beruhigen. Denken Sie spontan an 2-3 positive Begebenheiten des vergangenen Tages und schreiben diese auf. Es können auch Kleinigkeiten sein, die Sie normalerweise nicht als „Erfolg“ oder „schönes Erlebnis“ verbuchen würden. Dann notieren Sie daneben, was das Gute mit Ihnen und Ihren Fähigkeiten zu tun hat. Hier ein paar Beispiele:

  • Ich hatte Stress in der Arbeit, habe aber trotzdem einer Kollegin geholfen > Ich behalte auch unter großem Druck mein Mitgefühl für andere
  • Meine Freundin und ich haben heute Tränen gelacht -> Ich habe nährende Beziehungen und einen guten Humor
  • Ich habe beim Spazierengehen eine schöne Blume entdeckt -> Ich habe einen Blick für Details und kann mich an Kleinigkeiten erfreuen

Dieses Tagebuch der kleinen Erfolge ist der Beweis dafür, dass Sie im Kleinen jeden Tag und jede Minute etwas gestalten und zu einem besseren Leben beitragen können.

Mag sein, dass Sie damit nicht die ganze Welt retten, aber jeder zuversichtliche Mensch, jeder freundliche Blick und jedes liebevolle, offene Herz ist ein Baustein, mit dem wir Zukunft gestalten können. Und zwar genau jetzt in diesem Augenblick.


Sie wollen mehr von mir lesen? Dann freue ich mich über Ihren Besuch auf meiner Homepage: Sinnflug.de

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